Vom Schicksal der Töne - Rezensionen

Die Melodie im einzelnen Ton ist ein in einschlägigen Kreisen sehr umrätselter Hinweis von Rudolf Steiner in Bezug auf die zukünftige Entwicklung im Musikalischen. Steffen Hartmanns Suche und klangliche Forschungsreise führt ihn dazu, der Qualität in jedem Ton besonders nachzuspüren. Ein reiches Seelenerleben knüpft er an in unserer Zeit 
jeden der sieben Stammtöne der Tonleiter und verbindet sie mit umfassenden existenziellen Erfahrungen. Bis hin zu der Aussage: „In den Tönen ist der ganze Mensch qualitativ vorhanden. Sie gehören zu Ihm wie nur irgend Etwas.“ Sei es der Tierkreis, seien es die Metalle, die Hierarchien, alles wird mit innerer Stärke in die Tonwelt eingebunden. Auch die anthroposophischen Klassenstunden, Meditation und die Musik als Übungsweg sind Thema.
Es ist hocherfreulich zu sehen, wie forschende Künstler mindestens zwei unterschiedliche Wege in Bezug auf die Melodie im einzelnen Ton gehen. Während die Ruland/Sonnleitner-Strömung mehr die kleinen noch wenig gewürdigten Tonschritte zwischen zwei Tönen des wohltemperierten Klaviers als die zu gehende Richtung erlebt, ist bei Steffen Hartmann und seinen Freunden die Erlebnisfülle im konventionellen Ton aufzusuchen. Die Aufspaltung der üblichen Töne sieht er eher kritisch.
Steffen Hartmann ist nun wahrhaft ein Pianist, der seinem Vortrag die volle, satte Empfindung mitzugeben vermag, Immer zwischen Klaviertaste und Rede wechselnd, beides künstlerisch fein empfunden ausbalancierend, den Hörer fragend in den Hörprozess einbindend, wird ein Abend mit ihm zum Gesamtkunstwerk. Sein Seminar im Herbst sei hiermit als Erlebnis empfohlen. Das gehört zum Besten, was man in dieser Art bekommen kann! Nie hatte der Autor gedacht, so liebevoll und Verständnis erlangend über die Klippe der Zwölftonmusik gehoben zu werden. Das Geltenlassen der Impulse von Schönberg, Berg und Webern war auf einmal leicht. Auch das fremdartige Klavierstück Intermission 6 von Morton Feldman ... Mit Steffen Hartmann stürzt man nicht in den Untergang des Abendlandes, in Willkür und Konstrukt. Vielmehr erlebt man mit, wie sehr hier gesucht und durchaus auch gefunden wurde. Selten ist der Autor so befriedigt und beschenkt aus einer Veranstaltung im Haus der Anthroposophie herausgekommen. Das Beste ist der unmittelbare Musikabend bei Hartmann. Aber das nächste ist schon das Buch mit dem obigen Titel. Viel Lesenswertes ist noch darin enthalten, der Inhalt hier nur angetönt. Es ist ein Buch, für jeden verständlich, das sich aber doch in Teilen besonders an den übenden Anthroposophen wendet.


Reinhard Apel, in Wegweiser Anthroposophie in Österreich, Sommer 2019

 

 

"Vom Schicksal der Töne in unserer Zeit", lautet das jüngste Buch von Steffen Hartmann. Es spielt sich in unserem Innern ab, davon erzählt diese Schrift. Weil die Musik von ihrem himmlischen Urspung in der technischen Vervielfältigung an ein Ende zu kommen droht, geht Steffen Hartmann an den Anfang, wo ein einzelner Ton erklingt - der anders als die einzelne Farbe scheinbar "nackt und neutral" ist. Zwölf Stationen, zwölf Landschaften findet er in Hörversuchen am Institut MenschMusik mit seinen Kollegen. Es überrascht nicht, dass er die fünfte Stufe, wenn der Ton physisch erklingt, dem Tierkreisbild Stier zuspricht, der für das Zeitalter steht, als die Kultur mit Stein und Staat physisch wurde. Drei Schritte der Stille, des Stillwerdens, des Stilleschaffens, so Hartmann, gehen dem Klang voraus. Man schafft einen Hörraum, man erwartet einen Ton, man erwartet "den" Ton. So wie aus Tönen Melodien werden, so schreitet Steffen Hartmann von dieser meditativen Tonerfahrung zu Anthroposophie und Hierarchienlehre. Im Klavier sind Gedanke und Musik sich nahe - vielleicht sind deshalb, wie Johannes Greiner, Marcus Schneider oder eben Steffen Hartmann, (als) Pianisten anthroposophische Kulturschaffende.

 

Wolfgang Held, Das Goetheanum, 14.6.2019

 

Die Schönheit (des Textes) liegt auch darin, dass hier nicht eine Ein-Mann-Show aufgezogen wird, sondern viele Lehrer, Kollegen und Anreger genannt werden, unter anderem Gunhild von Kries und Holger Lampson (Widmung), Elisabeth Schwarzkopf, Marret Winger, Morton Feldman, Torben Maiwald, Karin van Buiren und Matthias Bölts, Hans Erhard Lauer, Heinz Buddemeier, Hans Börnsen, Maria Renold, Hermann Pfrogner, Malte Diekmann, Heiner Ruland, Michael Kurtz, Anton Kimpfler, Gabriele Kleber, Johannes Greiner - und natürlich Rudolf Steiner.

 

Gerold Aregger, Gegenwart 4/2018 

 

Es geht Hartmann um ein neues Hören, das sich für das aufschließt, was in dem Weben zwischen Musizierendem, Instrument, Tonerzeugung, Klangfeld und Hörendem an Qualitäten anwesend ist, die über das physikalisch Erfassbare hinausgehen. Zum Schicksal der Töne im 20. Jahrhundert gehört selbstverständlich deren ausufernde technische, elektronische Reproduktion, die zur Folge hat, dass sich in den letzten einhundert Jahren die Hörgewohnheiten der Menschen verändert haben wie nie zuvor. (...) Hartmann ist als Musiker auf der Suche nach dem Heilenden, nach dem, was zu einer neuen Hör-Intentionalität führen und sogar neuartige spirituelle Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen kann. Ein Ansatz, der sich dazu – aus anthroposophisch verstandenem Musizieren heraus – anbietet, liegt in der Bemühung um den einzelnen Ton. Hartmann geht auf seiner Suche seit vielen Jahren einen meditativen Weg, um dasjenige freizulegen, was an Lebendigkeit, an Seelischem und Wesenhaft-Geistigem dem einzelnen Ton innewohnt.
Er geht diesen Weg sehr systematisch, aus einer forschenden Haltung heraus. (...) Der Leser erfährt, dass Hartmann diese Prozesse einerseits individuell erforscht, dass er aber andererseits auch in seminaristischen Zusammenhängen mit Anderen unterwegs ist, um hier zu gemeinsam erfahrbaren Übweisen zu finden. (...)
Hartmanns Buch enthält die Spurensammlung seines immer wieder ins Esoterische strebenden Forschens. Fast erübrigt es sich anzumerken, dass es dort, wo es um urmusikalische Wahrnehmungen und Erlebnisse geht, an seine Grenzen stößt. Denn da möchte der Leser umgehend zum Hörer und Miterlebenden werden und die Welt des geschriebenen Wortes verlassen. Manche der angeregten Übungen wird man individuell angehen können, bei anderem bleiben viele wohl auf die Anleitung durch einen professionellen Musiker angewiesen – etwa hinsichtlich der ausgreifenden Reflexionen zur Ordnung der Tonarten in Bachs ›Wohltemperiertem Klavier‹, die der Autor an die Tiefen der anthroposophischen Herzlehre heranführt. (...)

 

Klaus Bracker, in die Drei 10/2018

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